Fotoshooting

Professionelles Oldtimer-Fotoshooting: Ein Erfahrungsbericht.

Dieses Jahr konnten die Oldtimerfreunde Freising mit einem ganz besonderen Hauptgewinn für den alljährlichen Fotowettbewerb aufwarten: Ein Fotoshooting im Studio eines professionellen Fotografen. Hermann Dörre von Classic Car Photo war so freundlich, diesen wertvollen Preis zu spenden.

Ich hatte bisher keine Vorstellung, wie so ein professionelles Shooting abläuft. Da ich damit wahrscheinlich nicht alleine bin, gibt es hier einen sehr ausführlichen und persönlichen Bericht.

Fotografiert wurde ein BMW 3.0 CSi aus dem Jahr 1972.

Am Donnerstagmorgen, den 20. Oktober starteten die Aufnahmen, wozu ich den BMW vorher ins Studio gebracht und dort nochmal einer Schnellreinigung unterzogen hatte.

Der erste Schritt bei der Vorbereitung des Hauptmotivs, das in dem Paket noch durch einige Detailaufnahmen ergänzt wird, besteht darin, den Wagen und die Kamera in die gewünschte Position zu bringen. Wir hatten uns für die klassische Perspektive von schräg vorne entschieden, die offensichtlich auch bei Automobildesignern einen besonderen Stellenwert genießt. Aus dieser Perspektive kommen bei sehr vielen Fahrzeugen die charakteristischen Merkmale von Marke und Typ gut zur Geltung. Um bei meinem Coupé das gewölbte Dach und zusätzlich die schönen Konturen am flachen Heck zur Geltung zu bringen, hatten wir uns für eine leicht erhöhte Kameraposition entschieden.

Bei der Feinabstimmung der Kameraposition hilft das Livebild, das sich von der Kamera auf den großen Bildschirm übertragen lässt. Dadurch lassen sich die Auswirkungen von kleinen Änderungen gleich in der zweidimensionalen Darstellung überprüfen. Für das Hauptbild kommt eine Kamera der Firma Sinar mit 50 Megapixeln Auflösung zum Einsatz.

Nach der Festlegung der Positionen von Fahrzeug und Kamera folgt die Feinabstimmung des Motivs: An den Nabenabdeckungen werden die BMW-Embleme in die richtige Position gedreht, der Lenkradeinschlag wird variiert, bis Fotograf und Fahrzeugbesitzer mit der Stellung der Vorderräder zufrieden sind, Sandsäcke im Auto sorgen für eine natürliche Einfederung des Fahrwerks, als säßen zwei Personen mit Wochenendgepäck im Auto. Durch die langjährige Erfahrung von Herrn Dörre ist jedoch auch diese Ausrichtung schnell erledigt.

Dann bleibt noch die Gestaltung von fahrzeugspezifischen Details. In unserem Fall sind dies z.B. die kleinen Dreiecksfenster in den Türen, die sich öffnen lassen. Wir fahren meistens mit leicht geöffneten Dreiecksfenstern, was in der gewählten Perspektive jedoch nicht gut zu erkennen ist bzw. sogar eher nach einem verbogenen Fensterrahmen aussieht. Deshalb bleiben die kleinen Fenster für das Foto zu.

Nach dieser Positionierung sind bereits mehr als zwei Stunden vergangen. Die Perspektive und die Fahrzeugdetails sind jetzt perfekt, die Ausleuchtung entspricht aber in etwa noch einem nächtlichen Parkplatz unter einer Laterne: Die Konturen der Karosserie sind noch nicht zu erkennen, der Lack wirkt trotz frischer Politur stellenweise matt, die Chromteile blitzen nicht und in den Fenstern spiegeln sich Lampen und Stative des Fotostudios. Somit beginnt jetzt der aufwändige Teil der Vorbereitung: die Ausleuchtung.

Zunächst wird das 40 m² große Deckensegel und eine darüber befindliche Flächenleuchte in Position gebracht. Herr Dörre arbeitet bei der Ausleuchtung vom Groben ins Feine, sorgt erst für eine stimmige Gesamtausleuchtung und arbeitet Details dann mit kleineren Lampen heraus.

Beim Deckensegel lässt sich der Abstand zur Lampe variieren: Ein größerer Abstand sorgt für ein weiches, flächiges Licht, das die Oberflächenkonturen des Fahrzeugs gut zur Geltung bringt. Allerdings wirkt bei dieser Einstellung der Lack völlig matt, weil sich keine harten Übergänge des Lichts darin spiegeln. Diese Spiegelungen, die dem Lack mehr Glanz verleihen, werden deshalb im Laufe der weiteren Ausleuchtung durch weitere Lichtquellen erzeugt.

Nachdem das Deckensegel samt Scheinwerfer positioniert ist, fängt das Ausleuchten der Details an – wobei „Details“ hier durchaus noch größere Bereiche wie die gesamte Front sein können. Das Fotografieren eines ganzen Autos ist deshalb so aufwändig, weil es so groß ist. Bei einem Katalogfoto für einen Schuh reicht eine kleine weiße oder schwarze Pappe, um die Lichtverhältnisse zu ändern. Bei einem Auto baut man gefühlt das halbe Studio um, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Aus diesem Grund ist am Donnerstag auch Oliver Sold im Studio, ebenfalls Fotograf und heute Assistent von Herrn Dörre sowie großer BMW Fan. Zu zweit ist es wesentlich leichter, Scheinwerfer, Stative und große Reflektoren zu positionieren und gleichzeitig die Effekte am Bildschirm zu kontrollieren.

Es entstehen die ersten Probeaufnahmen und ich bin begeistert, welche Auflösung die Bilder haben. Beim Reinzoomen am Bildschirm wird jedes Staubkorn auf dem Lack sichtbar. Die vorbereitende Politur des BMW hat sich damit bezahlt gemacht. Herr Dörre ist über die Farbe baikalblau dankbar. Auch rot wäre eine gute Farbe für Aufnahmen im Studio. Auf schwarzem Lack sieht man jeden noch so kleinen Kratzer, was den Aufwand für die spätere Nachbearbeitung der Bilder vergrößert. Weiße Autos sind wesentlich unempfindlicher gegenüber kleinen Verunreinigungen des Lacks. Ihnen sind jedoch aufgrund der Farbe die schönen Details schwieriger zu entlocken.

Inzwischen ist die Ausleuchtung weiter fortgeschritten, und es sind bereits fünf Generatoren mit jeweils 3200 Ws im Einsatz. Es entstehen die ersten Bilder, die für die spätere Nachbearbeitung verwendet werden können. Mit Spitzlichtern (kleinen Spots) werden gezielt Glanzpunkte auf Lack und Chrom gesetzt, als würde sich die Sonne darin spiegeln. Allerdings ist es fast unmöglich, die komplette Oberflächenstruktur samt Chromteilen mit einer Einstellung perfekt auszuleuchten. Immer wieder spiegeln sich einzelne Lampen, Stative oder Kanten von Reflektoren im Chrom oder den Scheiben. Deshalb wird das finale Bild später aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzt. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass die Positionen von Kamera und Auto nicht mehr verändert werden dürfen. Selbst das Öffnen und Schließen einer Tür zwischen zwei Aufnahmen ist durch einen kleinen Versatz erkennbar.

Gegen 20:00 Uhr sind mehrere Aufnahmen des Hauptmotivs entstanden, die zusammen einen perfekt ausgeleuchteten BMW 3.0 CSi zeigen. Als besonders schwierig erwies sich die schwache Kante zwischen den Rädern an Kotflügeln und Tür. Während das gesamte Auto gut ausgeleuchtet war, trat diese charakteristische Kante noch nicht richtig hervor. Erst dunkle Reflektoren unterhalb des Seitenschwellers brachten den nötigen Kontrast zwischen den Flächen oberhalb und unterhalb der Kante.

Herrn Dörre haben die letzten elf Stunden sichtlich Spaß gemacht. Für ihn ist es eine sehr schöne und sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Oldtimer: „Ich frage mich dann immer, was sich der Designer vor über 40 Jahren wohl dabei gedacht hat, als er dieses oder jenes Detail genau so gestaltet hat und versuche es dann auf meinem Foto genau so zur Geltung zu bringen.“

Zu den Paketen, die Herr Dörre seinen Kunden anbietet, gehört nicht nur ein Hauptmotiv mit dem gesamten Fahrzeug, sondern auch je nach Paket mehrere Detailaufnahmen. Der erste sehr kurzweilige Tag ist jedoch vollständig für das Hauptmotiv draufgegangen, weshalb die Detailaufnahmen am nächsten Tag folgen.

Am Freitag in der Früh starten die Aufnahmen an der Front mit dem BMW Emblem über der BMW Niere und eine Seitenansicht der „Haifischnase“. Zum Einsatz kommt hierbei jetzt eine Canon Spiegelreflexkamera mit 50 Megapixeln Auflösung. Privat nutzt Herr Dörre auch gerne eine wesentlich leichtere und kompaktere Systemkamera von Sony, weil man weniger mit sich herumschleppen muss und sie schneller zur Hand ist.

Da die fotografierten Bereiche nun wesentlich kleiner sind, geht auch die Ausleuchtung wesentlich schneller. Im Fall der später folgenden C-Säule habe ich mitgestoppt, da war es „nur“ etwas mehr als eine Stunde. Auch bei den Detailaufnahmen spielt Herr Dörre mit verschiedenen Beleuchtungen und Abschattungen. Ich lerne dabei, dass dunkle Reflektoren dem blauen Metallic Lack eine besondere Tiefe geben. Die Herausarbeitung eines Motivs auf einer Detailaufnahme empfinde ich als geradezu magisch. Es ist wirklich eine extrem intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen mobilen Kulturgut. An der Seite eines Profis in Sachen Bildgestaltung geht die Erfahrung weit über die Wahrnehmung beim üblichen Schrauben und Putzen des Oldtimers hinaus.

Beim Schriftzug „3.0 CSi“ auf dem Kofferraumdeckel probiert Herr Dörre zwei unterschiedliche Beleuchtungen aus: Eine etwas hellere, die den Chrom leuchten lässt und eine etwas dunklere, die einen intensiven Kontrast entstehen lässt. Bei solchen Alternativen zeigt sich einmal mehr das sehr angenehme und wertschätzende Verhältnis, das Herr Dörre zu seinen Kunden aufbaut. Am Anfang des Shootings hatte ich mich als Laie der Fotografie gefühlt, als würde ich mit Garri Kasparow über Schach diskutieren. Völlig zu Unrecht. Herr Dörre scheint die Unterhaltung wie eine zusätzliche Information in das Bild mit aufzunehmen: „Mich interessiert neben dem eigentlichen Fahrzeugdesign auch, welche Erlebnisse der Besitzer mit seinem Auto hatte, wie er zu diesem Fahrzeug gekommen ist oder welche Details er am Schönsten findet. Das hilft, eine emotionale Beziehung aufzubauen, was sich natürlich auch in den Bildern widerspiegelt.“ Mit dieser Einstellung wird auch verständlich, dass Herr Dörre keinen klaren Favoriten unter den Oldtimern hat, sondern der Ansicht ist, dass man bei fast jedem Wagen eine schöne Perspektive und schöne Details finden kann.

Die Aufnahme des Innenraums ist nochmal ein besonderes Highlight des zweiten Tages. Die Perspektive hatte ich vorgegeben mit dem Wunsch, dass das Ablagefach unter der Mittelkonsole gut zur Geltung kommen sollte. Bei der Ausleuchtung war die Herausforderung, dass der Lichteinfall natürlich wirken muss, um nicht den Eindruck von nicht vorhandenen Lampen im Innenraum zu erzeugen. Die größte Erfahrung hat Herr Dörre bisher mit Cabriolets gesammelt, die bei geöffnetem Verdeck viel Spielraum für die Ausleuchtung lassen und die er entsprechend erfolgreich in Szene gesetzt hat: Sein Kalender „Cabrioträume 2015″ wurde bei der Japan Calendar Competition von der Japan Federation of Printing Industries ausgezeichnet.

Für die Innenraumaufnahme kam gerichtetes, paralleles Licht über eine größere Fläche zum Einsatz, das der Sonneneinstrahlung sehr ähnlich ist. Dadurch sind Konturen gut erkennbar, es entstehen jedoch keine harten Schattenkanten. Um ein komplett scharfes Foto trotz der sehr unterschiedlichen Abstände der Oberflächen zum Objektiv zu erhalten, kommt die Methode des Focus Bracketing oder Focus Stackings zum Einsatz: Dabei wird in vorgegeben Schritten der Fokus vom vordersten bis zum hintersten Detail scharf gestellt und jeweils eine Aufnahme gespeichert. Anschließend setzt der Rechner aus allen Aufnahmen die jeweils scharfen Bereiche zusammen. Ein faszinierendes Ergebnis, da es nicht der Erwartung entspricht. Dafür gibt es ein komplett scharfes Bild.

Auch der zweite Tag vergeht wie im Flug. Um 22:30 Uhr gehen sowohl Herrn Dörre als auch mir die Ideen für Motive noch nicht aus. Fast könnte man den Spruch „Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist“ heranziehen. Wir beenden deshalb das Shooting und für mich geht eine der intensivsten Erfahrungen in Sachen Oldtimer zu Ende. Herzlichen Dank an Herrn Dörre, dass er mich für zwei Tage in seine faszinierende Welt hat eintauchen lassen. Die Wände in meinem Haus sind schon reserviert: Im Wohnzimmer für das Hauptmotiv, im Flur für die Details. Damit kann ich meinen einzigartigen BMW 3.0 CSi auch genießen, während dieser eingepackt seinen Winterschlaf hält.

Allen, die ihren Klassiker als mindestens genauso einzigartig empfinden, kann ich so ein Fotoshooting wärmstens empfehlen. Sei es als Überbrückung der Wintermonate, als ewig bleibende Erinnerung oder als Huldigung des mobilen Kulturguts – oder einfach nur, weil es eine einzigartige Erfahrung ist.

Peter Bohn

Und hier jetzt die fertigen Bilder:

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